Yosemite Klassiker Teil zwei

Gemäß dem Sprichwort:
“Dieses war der erste Streich und der zweite folgt zugleich.”
Geht es die nächsten Wochen weiter.
Es ist Stephan’s letzter Tag, direkt vor den Türen des San Francisco Airports verabschiede ich mich von meinem Kletterpartner der letzten Wochen. Ich übernehme am Flughafen mein „neues“ Mietauto. Kein Mietauto im klassischen Sinne, sondern ein 19 Jahre alter Ford Pick-Up mit ein paar ungewöhnlichen Stickern. Es geht zurück ins Yosemite wo ein Großteil meiner Sachen auf mich wartet. Camp 4 Site #18.

Die Tales of Power Geschichte

Nachdem ich den Fish Crack 5.12a im dritten Versuch klettern konnte und Crimson Cringe 5.12b on-sight abzockte, ist der für mich nächste logische Schritt Tales of Power 5.12b. Bereits im Zustieg zur Route kann ich die auf mich zukommenden Schwierigkeiten sehen. Da über die Route abseilt werden muss, um zum Einstieg zu gelangen. Dieser Riss sieht viel schwerer aus als 5.12b!

Im unteren Teil, eine Spitze V-förmige Verschneidung mit einem Handriss ganz weit hinten, dass einem die Hände fast zu kurz werden. Am Ende der Verschneidung folgt eine Boulderstelle, danach ein No Hand Rest. Von hier aus kann das eigentliche Problem bestaunt werden – ein sehr dünner, leicht überhängender beinahe Handriss. Zur Absicherung dienen grüne und rote Camalots. Grüne Camalots sind nicht meine bevorzugte Rissbreite. Zeit an meinen Schwächen zu arbeiten! Doch das Zeitfenster für diese Tour ist sehr klein. Die Route ist sehr lange in der Sonne, bis circa 14 Uhr. Bevor die Route nicht im Schatten liegt ist für mich ein Versuch sinnlos, reine Kraft- und Hautverschwendung. Die Tage werden immer kürzer, es ist bereits Mitte Oktober. Die Kletterzeit ist sehr begrenzt, deshalb erfolgt die Rückkehr zum Auto meist im Schein der Stirnlampe. Nach vier Kletternachmittagen ist es geschafft! Ich konnte Tales of Power 5.12b Rotpunkt durchsteigen.

Der für mich gnadenlose fast Handriss (c)Bernd Zeugswetter
Tales of power

Einseillängen Hit List

Im Gegensatz zur Tales of Power die mir einiges an Kraft, Haut und mentale Stärke abverlangte gelangen mir andere Valley Einseillängen-Klassiker fast mühelos. The Empire 5.13a Rotpunkt im zweiten Versuch. Hang Dog Flyer 5.12c im zweiten Versuch pre-protected (mit den Cams und Keilen bereits im Fels) im dritten go dann ganz clean. Ein gutes Gefühl hatte ich bereits beim Abseilen zum Yosemite Mega-Klassiker, Phönix 5.13a. Ganz im Gegensatz zur Tales wusste ich sofort, dass ich diese Route klettern kann. Nach einmaligen Auschecken der Bewegungen gelang mir der Rotpunkt vom Phönix beim zweiten mal einbinden, also im zweiten Versuch.

Altes und neues aus der Rubrik Mehrseillängen

Bei meinen vergangen Aufenthalten im Valley bin ich bereits die Touren Rostrum Regular Route 5.11c und Astroman 5.11c geklettert. Meiner Meinung nach fehlt noch der dritte Mega-Klassiker im Grad 5.11c – Freestone! Jim Bridwell, Ron Kauk und Dale Bard sind die namhaften Erstbegeher dieser Route. Leider hatte ich einen kleinen Sturz im 5.11c off-with, ansonsten verlief die anspruchsvolle Kletterei reibungslos. Nach der Route Voyager 5.11c ist das meine zweite gemeinsame Tour mit Bernd. Er ist ein exzellenter Kletterer, ebenfalls Bergführer und Österreicher der jedoch bereits sehr lange seinen Lebensmittelpunkt in Kalifornien hat. Weiter lässige Touren mit Bernd folgen.

Mitten in Mr. Midwest 5.13a

Bernd in der ersten Länge
Mr. Midwest

Bernd und ich versuchen uns an der vor nicht all zu langer Zeit zum ersten Mal frei gekletterten Route – Mr. Midwest 5.13a am El Cap West Face. Die fünfte Seillänge genannt das Monkey Roof 5.13a benötigt unsere volle Aufmerksamkeit. Unzählige Versuche und gleich viele Stürze strapazieren unser Seil sowie unsere Haut an den Fingerspitzen. Die Absicherung an der Schlüsselstelle erschwert das Auschecken der Crux erheblich. Der letzte Haken steckt einige Meter links vor der Schlüsselstelle, die Schlüsselstelle muss immer wieder aufs Neue angeklettert werden. Zudem ist jeder Sturz mit einem sehr unguten Pendler in das untere Dach verbunden. Schließlich und endlich gelingt es mir eine scheinbar unmögliche Griff-, Trittabfolge zu finden die ein lösen dieser Stelle möglich erscheinen lässt. Meine Beta, die winzige scharfe Quarzleiste mit links auf Schulter, mit der rechten Hand darüber kreuzen und weit hinauf in einen sehr kleinen Untergriff. Weiter mit den Füßen auf Reibung ansteigen hoffen und dran bleiben, es ist noch nicht vorbei. Ob ich im Stande bin diese Stelle zu klettern wenn ich vom Stand wegklettere wird sich am nächsten Tag zeigen.

Tag zwei im Mr. Midwest

Am folgenden Tag steigen wir in aller Früh zum West Face hinauf, wir wollen unsere Zeit im Schatten maximieren. Die ersten vier Seillängen sind nicht einfach, aber vom Vortag bekannt. Es geht rasch voran. Wir erreichen den Stand vom Monkey Roof. Bernd startet als Erster in diese geniale Länge. Er klettert sehr souverän bis zur Schlüsselstelle. Leider hatte er gestern keine Chance mehr meine Variante zu probieren, er stürzt. Nach etwas herum probieren an der Stelle kommt er zurück zum Stand. Nun bin ich an der Reihe. Ich versuche diese doch sehr diagonal verlaufende Seillänge pre-protected. Die ersten 30ig Meter sind pumpig aber kletterbar. An der Schlüsselstelle angekommen rufe ich mir die Sequenz nochmals in Erinnerung schnaufe tief durch und klettere los.

Griffausbruch

Jeder Griff sitz, die Tritte finden sich von selbst. Klettern in seiner schönsten Form, alles funktioniert wie es soll. Ich bin im Flow. Linke Hand auf die scharfe Leiste, rechts der höhere Tritt, Körperspannung und mit recht hoch über Kreuz in den kleinen Untergriff. Ich erreiche den Untergriff fast mühelos, jetzt nur noch den linken Fuß hochstellen….
Plötzlich befinde ich mich wieder in der Luft. Ich segle genau wie auch gestern unter das Dach. Was war das? Warum dieser unverhoffte Abflug? Nach einer kleinen Pause klettere ich hoch zur Schlüsselstelle. Sofort sehe ich was passiert ist, ich habe es geahnt, wollte es aber nicht wahr haben. Die kleine Quarzleiste für links, sie ist weg. Griffausbruch. Suboptimal. Ich hüpfe wieder mal ins Seil. Fest entschlossen diese Stelle noch, beziehungsweise wieder zu lösen bouldere ich trotz wenig Haut weiter bis es mir gelingt. Fazit: die Seillänge ist immer noch kletterbar, mein Lösungsweg der gleiche, nur die Leiste für links ist nur mehr ein Bruchteil von dem was sie mal war, die gesamte Seillänge ist dadurch sicherlich noch schwieriger. Die nächste Seillänge zeigt uns, dass nicht nur 5.13a schwer sein kann. Mit 5.12d bewertet und für mich an diesem Tag unlösbar. Wir seilen ab. Obwohl uns der Erfolg verwehrt blieb ein sehr guter Klettertag!

Bernd im Monkey Roof nach dem Griffausbruch
Mr. Midwest

Romulan Warbird 5.12c

Schon zuhause habe ich mir im Führer diese Wand immer wieder angesehen, das Fifi Buttress. Meine Wunschtour unter den schwereren Klettereien dort, Final Frontier 5.13a. Da Bernd diese bereits geklettert war und wir beide nur gutes über den Warbird gehört hatten, entschlossen wir uns rasch für diese Route. Neun Seillängen feinste Granitkletterei. Bewertet wie folgt: 5.12b, 5.11d, 5.11c,5.12b, 5.11c, 5.12c, 5.10d, 5.10d, 5.10d. Bis auf einen kleinen Ausrutscher meinerseits, in der ersten Seillänge im Nachstieg, konnten wir beide die Route fehlerfrei on-sight klettern. Da wir noch Zeit hatten am Ende der Tour, kletterte ich die erste Seillänge nochmals im Nachstieg und besserte meinen Fehler aus. Bereits am Ausstieg dieser Tour kreisten meine Gedanken um mein nächstes Vorhaben – den Free Rider 5.12d am El Capitan. Das größte Problem, nicht das Boulderproblem, nicht die Enduro Corner sondern einen geeigneten Kletterpartner zu finden.