Im Seil hängend bastle ich mein Bett für die Nacht zusammen. Den ganzen Tag bin ich nonstop geklettert, doch jetzt ist Schluss! Feierabend! Aber erst noch das Portaledge fertig zusammenbauen, gar nicht so einfach allein.
Doch nach kurzer Zeit ist es geschafft! Ich sitze im Ledge und meine Füße baumeln 700 Meter über den Abgrund. Gleich werde ich damit beginnen mein Abendmahl zuzubereiten. Heute gibt es Beagles mit Streichkäse, dazu eine Dose Chili con Carne und eine Tomate. Ein typisches Big Wall Menu.
Mein Blick schweift die Wand hinunter, Seillänge für Seillänge, ich erkenne die besonders schweinischen Kletterstellen die hinter mir liegen und bin froh, diese bereits hinter mir zu haben.
Dann jedoch ein Blick nach oben, sozusagen in die Zukunft. Morgen steht als erste Seillänge ein ganz feiner Riss am Programm der im Grund einer spitzen Verschneidung verläuft. Das wird sicher witzig!
Endlich bin ich wieder einmal im Yosemite. Am El Capitan, an meinem Ort der Kraft! Kaum zu glauben das ich es drei Jahre ausgehalten habe ohne diesen Granit Monolit. Doch nun alleine im Portaledge sitzend, 700 Meter off the Deck, fühlt es sich so an als wäre ich nie woanders gewesen. Alles funktioniert annähernd perfekt. Der Berg und das Wetter sind mir gut gesinnt und ich spüre förmlich wie mich die Energie des El Cap durchströmt und mich von Tag zu Tag stärker werden lässt.
Zeit sich in den Schlafsack zu verkriechen, damit die Chancen auf einen frühen Start morgen nicht von Haus aus gleich null sind. Noch schnell einen Monkey call als Gute Nacht Gruß an den Capitan und seine Bewohner. Uhhh Uhhh
Zugleich kommt der Gruß aus allen Teilen der Wand retour. Uhh Uhh Uhhhh
Wer genau hinhört kann den Akzent des jeweiligen Monkeys vielleicht zuordnen. Vom California High Country Rock Monkey bis hin zum Austrian Rock Monkey sind alle Gattungen vertreten.
Nach einer sehr angenehmen Nacht geht es weiter in gewohnter Manier. Vorsteigen, Stand aufbauen, Vorstiegs- und Haulseil fixieren, Abseilen, Haulbag vom Stand lösen, Stand abbauen und während des Nachsteigens das Klettermaterial aus der Seillänge wieder einsammeln. Sobald diese Schritte erledigt sind, gibt es einen Schluck aus der Wasserflasche und dass Prozedere beginnt von neuem, nur halt 50 Meter höher.
Wie Sudoku spielen und Laufen gehen, fällt mir plötzlich ein. Solo Big Wall klettern ist wie Sudoku spielen und laufen. Zum einen muss ich geistig voll mitdenken, bei den ganzen Seilmanövern (ein einziger nicht getaner Handgriff würde nicht gleich zum Disaster, jedoch später sicher zu extremen Mehraufwand an Handgriffen führen), und auch bei der Auswahl der Placements muss ich konzentriert sein, ansonsten geht es schnell bergab. Zum anderen habe ich keine Stehzeiten, soll heißen ich bin immer in Bewegung. Den ganzen Tag. Die doch eher schwere Big Wall Ausrüstung immer am Körper dient hier als sündhaft teures Trainingsgewicht. Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung frönt sicherlich zumindest eines der oben genannten Hobbys! Ich nicht! Da ich weder laufen gehe, noch Sudoku spiele, ist Solo Big Wall klettern genau der richtige Ausgleichssport für mich.
Während ich den Gedanken so nachhänge, komme ich am nächsten Stand an. Ich beginne den Stand aufzubauen, alles geht fast von selbst, Panta rhei! alles fließt!
Am Ende des Tages bin ich dem Ausstieg der Muir Wall wieder 5 Seillängen näher. Seillänge 27 von 31. Der Ausstieg am kommenden Tag ist somit fix.
Nach erreichen des letzten Standes, ein Baum am Plateau des El Caps, wieder der obligatorische Monkey Call: Uhhhh Uhhhhhh
Es ist geschafft!
Muir Wall Solo VI 5.8 A2+ 4 Nächte und fünf Tage in der Wand nach vorarbeiten im unterm Teil.
Der Monkey Call verhallt nicht ungehört. Er wird sogar erwidert! Es ist Timo mein Kletterpartner für die kommenden Wochen, er ist extra auf den Gipfel gestiegen um mir beim Abtransport des gesamten Materiales zu helfen. Diese edle Tat sei ihm nie vergessen, sondern hoch angerechnet, den der Abstieg vom El Capitan mit schwerem Gepäck ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Nach zwei doch verdienten Rasttagen, machten Timo und ich das Valley für circa fünf Wochen unsicher. Was bleibt sind schöne Erinnerungen und eine lässige Tourenliste. Darin finden sich unter anderem: Free Blast; Golden Gate 5.13b (Vers.); NIAD (NoseInADay); SSPO A4 (South Seas Pacific Ocean Wall); Astroman; Rostrum Regular Route (mit Alien Roof finsih); und viele weitere gute Touren.
Durch den Gouverment Shutdown wurde unser Yosemite Aufenthalt leider um zwei Wochen eingekürzt. Das war jedoch nicht weiter schlimm, denn so zogen wir weiter zu den Boulderblöcken in den Buttermilks. Nach den Buttermilks besuchten wir noch die Needles, ein echt lässiges Granitgebiet, wo wir uns unter anderem am Romantik Warrior 5.12b versuchten.
Alles in allem ein sehr gelungener Klettertrip! Genau das was mir schon seit Ende 2010 gefehlt hat. Leider steht der El Cap genau am anderen Ende der Welt.
Was jedoch mit Sicherheit nicht heißt, dass ich in Zukunft mit dem Laufen oder dem Sudoku anfangen werde.
Nose in a Day (NIAD) Nose in a day ascent Stefan climbs the Pancake Flake and Timo is in Belay mode (c) Tom Evans Taking to much slows you down, but taking to less can be very dangerous sketchy climbing above the belay station on SSPO El Capitan Hooks on Illusion Chain SSPO wake up with the first sun light