Bergsteigen und Klettern in Patagonien

Ende und Anfang

Nach der Woche mit Gästen in den Bergen um El Chalten haben wir, Martin, Stefan und ich, noch zwei Wochen Zeit, um nach Möglichkeit Hand an den Granit im Fitz Roy Gebiet zu legen. Die letzte Woche war turbulent genug. Wir hoffen wir jetzt auf brauchbares Wetter zum klettern. Die Saison 2017/18 hat sich bis jetzt nicht unbedingt von der sonnigen und windstillen Seite gezeigt, aber vielleicht ändert sich das jetzt.

Start zum Marconi Gletscher

Mit großen Plänen und schweren Rucksäcken starten wir in Richtung Marconi Becken. Wir wollen Felsklettern. Wenn es die Verhältnisse und der Fels zulassen möchten wir auf einer neuen Linie einen kleinen Nebengipfel des Cerro Piergiorgio besteigen. Das vorhergesagte Wetter ist nicht perfekt. Mit dem nötigen Optimismus, etwas Explorer Geist – ich war in diesem Winkel des Massives noch nicht – lässt sich die nötige Motivation zu dem ewig langen Zustieg schon finden. Der Weg führt vorbei am Camp Piedra dell Fraile, wo wir bereits in der Vorwoche etwas Zeit verbrachten. Danach geht es weiter bachaufwärts am Rio Electrico zur Laguna Electrico. Dort wartet eine Flussquerung der besonderen Art auf uns.

Die Flussquerung

Der starke Niederschlag der letzten Tage hat den Rio Pollone, welchen es im Delta zur Laguna zu queren gilt, extrem anschwellen lassen. Von einer Querung trockenen Fußes sind wir weit entfernt, ich bin sehr skeptisch ob die Flussquerung eine gute Idee ist. Doch Stefan Gatt ist schon dabei ohne Schuhe in das kalte Nass zu springen um einen gangbaren Weg zu finden. Dreißig Minuten später stehe ich ohne Schuhe ohne Hose, nur in Unterhose und Oberbekleidung, plus schweren Rucksack bis fast zur Hüfte in den Fluten des saukalten Rio Pollone. Der reißende Fluss, der schwerere Rucksack und die eisigen Wassertemperaturen sind eine denkbar schlechte Kombination. Ausrutschen, umfallen und so weiter strickt verboten! Einziges Hilfsmittel sind die Trekkingstöcke, die sind hier Gold wert. Alle drei schaffen die Flussquerung ohne Zwischenfälle, Gott sei Dank. Abtrocknen, Hose und Schuhe anziehen dann aber schnell weiter, denn uns ist kalt.

La Playita – der kleine Strand

Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch erreichen wir la Playita den gut vor Wind geschützten Zeltplatz für die Nacht. Zelt aufstellen und schnell rein, denn es regnet schon wieder seit einiger Zeit. Die Berge sind bis weit herab weiß angezuckert. An klettern ist morgen nicht zu denken. Da wir von la Playita bis zur Wand noch mindestens fünf Stunden Zustieg vor uns haben können wir sowieso frühestens übermorgen Hand an den Fels legen, sofern sich das Wetter ändert beziehungsweise bessert.

Wetterbericht über Satellitenverbindung

Zweimal täglich rufen wir den neuen Wetterbericht für unsere Region ab. Leider immer ohne gute Nachrichten. Das Wetter bleibt wie es ist, mit Tendenz zu noch feuchter und windiger. Den nächsten Tag sitzen wir fast zur Gänze im Zelt aus. Uns ist klar die Verhältnisse werden in nächster Zeit kein Felsklettern zulassen.

Planänderung Domo Blanco

Wir ändern unseren Plan, aus Felsklettern wird klassisches Bergsteigen. Dafür wird das Wetter ja wohl reichen!? Motiviert starten wir mitten in der Nacht, um den Domo Blanco über den Normalweg zu erreichen. Zuerst über Felsplatten, dann über den Marconi Gletscher geht es bergan. Über steiles verschneites Blockgelände erreichen wir die Rampe die uns zum Gipfel führen sollte. Uns fehlen nur noch zwei- bis dreihundert Höhenmeter zum Gipfel als wir Aufgrund der Lawinengefahr den Rückzug antreten müssen. Jetzt bleibt uns nur noch der lange Rückweg nach El Chalten.

El Chalten

Die nächsten Tage regnet es immer wieder in El Chalten, die Pfützen auf den Straßen sind groß und die Berge eingeschneit. Das Wetter reicht gerade für ein oder zwei kurze Klettertouren in den Klettergärten rund um die kleine Stadt. Unsere Hoffnungen auf einigermaßen stabiles Kletterwetter sinken. Um in den Bergen vernünftig Felsklettern zu können braucht es ein paar niederschlagsfreie sonnige Tage, die finden wir bis jetzt nicht in der Wettervorhersage.

Mojon Rojo (ca. 2170 Meter)

Nach mehreren Tagen des ausgedehnten Ruhens und Nichtstuns müssen wir aktiv werden, um nicht einzurosten. Der Wetterbericht verspricht uns ein 12stündiges Wetterfenster für den kommenden Tag. Dieses nützen wir um den Mojon Rojo zu besteigen. Zugegeben der Mojon Rojo ist sicherlich nicht der eindrucksvollste Berg im ganzen Gebiet aber eine Besteigung lohnt sich allemal. Ganz nah sind die wirklich großen, Fitz Roy, Cerro Torre, wenn sich kurz die Wolkendecke lichtet ist die Aussicht atemberaubend. Zirka 16 Stunde dauert unser kleiner Wandertag zu dem Kleinsten in der Fitz Roy Kette.

Aguja Guillaumet (ca. 2580 Meter)

Kurz vor der Abreise kommt doch noch ein wie es aussieht gutes Wetterfenster für 1-2 Tage. Nach kurzem hin und her entscheiden wir uns für die Guillaument. Aufgrund der Exposition denken wir, dass dort am ehesten geklettert werden kann. Wir sind wieder einmal unterwegs nach Piedra dell Fraile. Dort schlagen wir unser Lager auf und starten früh am nächsten Morgen als Tagestour zur Guillaument. Bereits nach wenigen hundert Höhenmetern stehen wir zehn Zentimeter tief im Schnee. Bei optimalen Kletterverhältnissen ist bis zum Gipfel auf 2500 Meter kein Neuschnee. Diesmal beginnt der Schnee bereits bei ca. 600 Meter Seehöhe, nach oben immer mehr werdend. Keine optimalen Voraussetzungen für unsere Klettertour. Jedoch lassen wir uns nicht abhalten und steigen rasch höher bis zum Einstiegseis-/Schneefeld. Martin tritt dort den Rückzug an er fühlt sich nicht fit genug, um bei diesen schwierigen Verhältnissen bis zum Gipfel zu klettern. Wir akzeptieren seine Entscheidung. Martin steigt ab, wir steigen weiter auf. Zu Mittag sind wir am Einstieg der ausgewählten Klettertour. Der Comesaña-Fonrouge 6b+ 450 Meter, einer der leichteren Anstiege auf den Gipfel. Die Routenwahl viel auf die Comesaña nicht nur wegen der vergleichsweise geringen Schwierigkeit, sonder auch wegen dem Schnee im Zustieg und dem vielen Rimeis in der Wand, welches sich durch die Sonneneinstrahlung löst und abfällt. Unsere Route verläuft auf weiter Strecken entlang eines Grates, dass ist bei Stein- und Eisschlag ein großer Vorteil. Ohne Probleme erreichen wir um 16 Uhr den Gipfel. Nach einer ausgiebigen Pause, die wir zum Fotografieren nützen, beginnen wir mit dem Abstieg.

Asado

Um 18 Uhr sind wir beim Einstieg der Tour und 21:15 sind wir zurück in Pierda dell Fraile. Dort treffen wir das Hüttenpersonal gerade beim Asado Gelage an. Wir lassen uns gerne auf das Grillfest einladen und genießen einen letzten Abend am Lagerfeuer.

Abreise

Am nächsten Tag machen wir uns auf nach El Chalten und packen für unsere Heimreise. Trotz dem schlechten Wetter der letzten drei Wochen in El Chalten hatten wir eine gute Zeit in den Bergen rund um den Fitz Roy. Das uns zum Abschluss doch noch eine Klettertour gelingt ist genial. Ich vermute, dass war nicht mein letzter Trip nach El Chalten.

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